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Sachgrundlose Befristung – zeitliche Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs 2 S 2 TzBfG

Sachgrundlose Befristung und „Zuvor-Beschäftigung“

Der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, steht eine frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht entgegen, wenn diese mehr als drei Jahre zurückliegt.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht vor, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergibt die an ihrem Sinn und Zweck orientierte, verfassungskonforme Auslegung der gesetzlichen Regelung. Diese soll zum einen Arbeitgebern ermöglichen, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete Einstellungen zu reagieren, und für Arbeitnehmer eine Brücke zur Dauerbeschäftigung schaffen. Zum andern sollen durch das Verbot der „Zuvor-Beschäftigung“ Befristungsketten und der Missbrauch befristeter Arbeitsverträge verhindert werden. Das Verbot kann allerdings auch zu einem Einstellungshindernis werden. Seine Anwendung ist daher nur insoweit gerechtfertigt, als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist. Das ist bei lange Zeit zurückliegenden früheren Beschäftigungen typischerweise nicht mehr der Fall. Hier rechtfertigt der Gesetzeszweck die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nicht. Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten besteht regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen. Dieser Zeitraum entspricht auch der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt.

Die Klägerin war beim beklagten Freistaat aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 1. August 2006 bis 31. Juli 2008 als Lehrerin beschäftigt. Während ihres Studiums hatte sie vom 1. November 1999 bis 31. Januar 2000 insgesamt 50 Stunden als studentische Hilfskraft für den Freistaat gearbeitet. Mit ihrer Klage hat sie sich gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt.

Die Klage hatte vor dem Siebten Senat – ebenso wie schon in den Vorinstanzen – keinen Erfolg. Die mehr als sechs Jahre zurückliegende frühere Beschäftigung der Klägerin stand der sachgrundlosen Befristung ihres Arbeitsvertrags nicht entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 –
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 15. September 2009 – 7 Sa 13/09 –

Verfassungsbeschwerden gegen die Eingliederung privater Unternehmen in den öffentlichen Rettungsdienst erfolglos

In allen Bundesländern besteht derzeit ein bodengebundener Rettungsdienst, der Krankentransport und Notfallrettung umfasst, in öffentlicher Trägerschaft (öffentlicher Rettungsdienst). Die Durchführung des öffentlichen Rettungsdienstes obliegt vereinzelt der Feuerwehr, ist aber in den meisten Ländern auf private Hilfsorganisationen, wie u. a. das Deutsche Rote Kreuz, und auf private Unternehmen übertragen. Die rechtliche Gestaltung der Übertragung unterscheidet sich stark. Während teilweise nur ein öffentlicher Rettungsdienst vorgesehen ist, innerhalb dessen private Leistungserbringer mitwirken können (Einheits- oder Eingliederungsmodell), ist in anderen Ländern neben dem öffentlichen auch ein privater Rettungsdienst zulässig (duales System oder  Trennungsmodell).

Im Freistaat Sachsen bestand ursprünglich neben dem öffentlichen auch ein privater Rettungsdienst. Der öffentliche Träger des Rettungsdienstes übertrug durch öffentlichrechtlichen Vertrag die Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport auf private Hilfsorganisationen oder auf andere Unternehmer. Daneben konnten Unternehmer mit entsprechender Genehmigung zur Notfallrettung oder zum Krankentransport auch einen privaten Rettungsdienst im eigenen Namen, auf eigene Verantwortung und auf eigene Rechnung betreiben. Die Genehmigung war zu versagen, wenn zu erwarten war, dass durch ihren Gebrauch das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst beeinträchtigt wird (Funktionsschutzklausel).

Durch das Sächsische Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (SächsBRKG), insbesondere durch den am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen § 31 SächsBRKG, wurde für den Rettungsdienst der Wechsel vom dualen System zum Eingliederungsmodell vollzogen. Danach ist die Mitwirkung privater Rettungsunternehmen nur noch im Rahmen des öffentlichen Rettungsdienstes möglich. Der öffentliche Träger des Rettungsdienstes überträgt ihnen nach Durchführung eines Auswahlverfahrens durch öffentlichrechtlichen Vertrag die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports. Er vereinbart mit den Kostenträgern einheitliche Entgelte für den Rettungsdienst bzw. legt die Gebühren durch Satzung fest. Dem öffentlichen Träger des Rettungsdienstes obliegt ferner die Errichtung der Leitstellen, wobei es sich in der Regel um bereichsübergreifende Einrichtungen handelt, die Einsätze des Rettungsdienstes veranlasst und lenkt, die Feuerwehren alarmiert, deren Einsätze unterstützt und die Katastrophenschutzeinheiten alarmiert.

Vordringliches Ziel des neuen Gesetzes, das auch das bisherige Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistung der Feuerwehren bei Unglücksfällen sowie das Gesetz über den Katastrophenschutz im Freistaat Sachsen ablöste, ist es, durch eine Einheitlichkeit in Organisation und Durchführung in allen Bereichen einen effizienten Schutz der Bevölkerung vor Bränden, Unglücksfällen, öffentlichen Notständen und Katastrophen zu gewährleisten.

Die hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerden der beiden Beschwerdeführer, die in Sachsen private Rettungsdienstunternehmen betreiben, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts teilweise als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen. Die angegriffene Vorschrift verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten, insbesondere nicht in ihrer Berufsfreiheit. Die Neuordnung des Rettungsdienstes rechtfertigt sich aus der Verfolgung überragend wichtiger Gemeinwohlziele.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Unzulässig ist eine der Verfassungsbeschwerden insoweit, als sie sich auch gegen die Gestaltung des nach der neuen Regelung vorgesehenen
Auswahlverfahrens wendet, weil es der betreffenden Beschwerdeführerin zumutbar ist, den Vergaberechtsweg vor den Fachgerichten zu beschreiten, wenn eine für sie nachteilige Entscheidung im Auswahlverfahren ergehen sollte.

Im Übrigen sind beide Verfassungsbeschwerden unbegründet. Der Systemwechsel zu einem ausschließlich öffentlichen Rettungsdienst greift
zwar in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer ein. Denn für die Mitwirkung im öffentlichen Rettungsdienst ist nicht nur der Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrags mit dem Träger des Rettungsdienstes erforderlich; ein Interessent muss sich vielmehr zuvor in einem Auswahlverfahren gegen seine Mitbewerber durchgesetzt haben. Ein solches Auswahlverfahren findet aber nur statt, wenn und soweit ein Bedarf namentlich an Krankenkraftwagen und Notarzt-Einsatzfahrzeugen besteht. Zudem können die privaten Unternehmer ihre Rettungsdienste nicht mehr auf der Grundlage eigener vertraglicher Vereinbarungen mit den Kostenträgern des Rettungsdienstes und den Krankenkassen erbringen.

Diese Eingriffe in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer sind jedoch gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Neuordnung des Rettungsdienstes legitime Gemeinwohlziele und durfte im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungs- und Prognosespielraums auch davon ausgehen, dass die angegriffene Regelung zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich ist.

Die mit der Neuregelung erstrebte Verbesserung des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung betrifft überragend wichtige Gemeinwohlbelange, die ohne den Eingriff in die Berufsfreiheit einer ernsthaften Gefährdung ausgesetzt wären. Durch die Eingliederung privater Unternehmen in den öffentlichen Rettungsdienst ist deren Zulassung nun vom Bedarf an Krankenkraftwagen und Notarzt-Einsatzfahrzeugen abhängig. Sie vermeidet daher das Entstehen von Überkapazitäten, die angesichts der hohen Investitions- und Vorhaltekosten einen Konkurrenzkampf unter den privaten Rettungsunternehmern befürchten lassen, der die Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes in empfindlicher Weise stören würde.

Außerdem durfte der Gesetzgeber annehmen, dass die vollständige Überführung des Rettungsdienstes in öffentliche Trägerschaft zu einer generellen Vereinheitlichung des Schutzkonzepts aus Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz beiträgt und geeignet sowie erforderlich ist, zu einer effizienteren Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport beizutragen. Die Eingliederung erlaubt die Zusammenfassung behördlicher Zuständigkeiten und Befugnisse und gewährleistet so eine bessere Koordination der Einsätze von Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz sowie den Zugriff auf sämtliche im Einzelfall benötigte Ressourcen sowohl bei Alltagseinsätzen als gerade auch bei komplexen Unglücksfällen, in Großschadenslagen oder im Katastrophenfall. Im Rahmen eines ausschließlich staatlich organisierten Rettungsdienstes ist ferner eine flexible und einheitliche Planung der Leitstellen und Rettungswachen möglich, die auf bestehende Genehmigungen für private Unternehmer keine Rücksicht nehmen muss. So kann eine flächendeckende und fachgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsdienstleistungen unter Vermeidung unnötiger Doppelvorhaltungen leichter sichergestellt werden. Gerade bei größeren bereichsübergreifenden Einsätzen oder in Großschadenslagen ist eine schnellstmögliche und umfassende zentrale Koordinierung sämtlicher verfügbarer Rettungsmittel und Rettungskräfte offenkundig vorteilhaft. Die zuvor im dualen System geregelte Funktionsschutzklausel, wonach die Zulassung privater Unternehmen nur für den Fall erlaubt war, dass hierdurch die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes nicht beeinträchtigt oder gefährdet wird, ist zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes nicht in gleich effizienter Weise geeignet. Denn sie vermag nicht zu einer Vereinheitlichung der Strukturen und Abläufe von Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz sowie zu einer effizienteren Koordinierung der Rettungsdiensteinsätze beizutragen.

Die Eingriffe in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer sind auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit gerechtfertigt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die vollständige Eingliederung privater Anbieter in den öffentlichen Rettungsdienst durch die verbesserte Planbarkeit und die effizientere Koordinierung der Einsätze kostenaufwändige Doppelvorhaltungen personeller und sächlicher Rettungsmittel auszuschließen, zumindest aber zu reduzieren vermag. So vermindert sich die Zahl der Leitstellen, die außerdem noch kostengünstiger arbeiten können. Einsparpotentiale ergeben sich ferner durch die bessere Vernetzung des Rettungsdienstes mit Feuerwehr und Katastrophenschutz. Die organisatorische Zusammenfassung von Notfallrettung und Krankentransport im öffentlichen Rettungsdienst trägt ebenfalls zur Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems bei. Private Unternehmer sind im Unterschied zu öffentlichen Trägern nicht gezwungen, ihre Leistungen auch in wirtschaftlich unrentablen Gegenden anzubieten. Der öffentliche Rettungsdienst ist zur Geringhaltung der Kosten deshalb darauf angewiesen, dass Einnahmen aus tendenziell eher einträglichen Krankentransporten zum Ausgleich der Aufwendungen für die Bereitstellung eines umfassenden Rettungsdienstes und hier insbesondere zu den Aufwendungen für die Notfallrettung beitragen.

Schließlich ist der nunmehr geregelte Systemwechsel geeignet und erforderlich, das ebenfalls angestrebte Ziel eines transparenten und chancengleichen Zulassungsverfahrens zu erreichen. Nach der früheren Rechtslage bestand faktisch ein abgeschlossenes System der etablierten Anbieter; im öffentlichen Rettungsdienst waren die Verträge mit den Hilfsorganisationen, im privaten Rettungsdienst die Genehmigungen der Unternehmer regelmäßig verlängert worden. Demgegenüber ist nunmehr durch die Aufgabe der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Rettungsdienst erstmals ein Wettbewerb zwischen Hilfsorganisationen und privaten Unternehmern um alle benötigten Kapazitäten zu gleichen Konditionen eröffnet worden; alle, insbesondere auch neue Bewerber, haben grundsätzlich die gleiche Chance, als Leistungserbringer ausgewählt zu werden.

Im Rahmen der Gesamtabwägung ist zu beachten, dass durch die Neuregelung den privaten Unternehmern der Zugang zur Tätigkeit im Rettungsdienst in Sachsen nicht schlechthin verwehrt ist; sie haben nach wie vor die Möglichkeit, sich in der Notfallrettung und im Krankentransport als Anbieter beruflich zu betätigen. Die dennoch verbleibenden Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit erscheinen angesichts des ihnen gegenüber stehenden überragend wichtigen Gemeinwohlziels eines effizienten Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht unangemessen.

Die Neuregelung des Rettungsdienstes ist schließlich auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich zu beanstanden. Durch das angegriffene Gesetz ist den Inhabern von Genehmigungen zur Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport eine vierjährige Übergangszeit eingeräumt worden, während der sie ihre Unternehmen nach der alten Rechtslage fortführen konnten. Nach Ablauf der vierjährigen Übergangsfrist ist es den Beschwerdeführern zumutbar, sich wie alle anderen Interessenten um den Abschluss eines solchen Vertrags in einem transparenten und chancengleichen Auswahlverfahren zu bewerben. Einen dauerhaften Bestandsschutz für ihre unternehmerische Tätigkeit im Rettungsdienst können sie nicht beanspruchen. Steht wie hier die Gesetzesintention einer unveränderten beruflichen Betätigung entgegen, so gebietet es der Vertrauensschutz nicht, den Betroffenen die Möglichkeit hierzu im bisherigen Umfang zu erhalten.

Beschluss vom 8. Juni 2010 – 1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/07

Tariflicher Feiertagszuschlag für Ostersonntag

Sieht ein Tarifvertrag Zuschläge für gesetzliche Feiertage vor, haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung eines Feiertagszuschlags für Ostersonntag. Ostersonntag ist kein gesetzlicher Feiertag. Die Kläger sind seit Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der Manteltarifvertrag für die Brot- und Backwarenindustrie Niedersachsen/Bremen Anwendung. Nach dessen § 5 Abs. 1 Buchs. f) ist für Arbeit an Feiertagen ein Zuschlag iHv. 175 % zu zahlen. Nach § 4 Abs. 5 MTV ist Feiertagsarbeit die an gesetzlichen Feiertagen geleistete Arbeit. In der Vergangenheit zahlte die Beklagte für die Arbeit am Ostersonntag stets einen Zuschlag iHv. 175 % und wies die Zahlung in den Lohnabrechnungen als Feiertagsvergütung aus. Im Jahre 2007 leistete sie nur den tariflichen Sonntagszuschlag iHv. 75 %. Mit ihrer Klage fordern die Kläger die Zahlung des höheren Feiertagszuschlags. Sie sind der Auffassung, Oster- und Pfingstsonntag seien in der christlichen Welt Feiertage. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein tariflicher Anspruch besteht nicht, weil Ostersonntag kein gesetzlicher Feiertag ist. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheidet ebenfalls aus. Die Beklagte erfüllte in der Vergangenheit aus Sicht der Belegschaft lediglich ihre vermeintliche tarifliche Verpflichtung, ohne übertarifliche Ansprüche zu begründen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. März 2010 – 5 AZR 317/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 3. März 2009 – 3 Sa 244/08

Ein zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führendes gesetzliches Beschäftigungsverbot setzt eine nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen eindeutige Regelung voraus.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Februar 2008 – 8 Sa 1592/07 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Die Beklagte führt Notfallrettungen und Krankentransporte durch. Der im Jahre 1973 geborene Kläger war bei ihr seit dem 1. Januar 2001 als Rettungsassistent beschäftigt. Er bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von 1.738,12 Euro brutto.

Vom 27. Februar bis zum 17. März 2006 war der Kläger arbeitsunfähig krank geschrieben. Am 18. März 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. April 2006. Sie warf dem Kläger vor, nach der Manipulation eines dienstlichen Telefons unerlaubt Privatgespräche geführt zu haben; außerdem habe der Kläger die Erkrankung nur vorgetäuscht und trotz eines angeblichen Bandscheibenvorfalls eigenhändig seinen privaten Umzug durchgeführt.

Der vom Kläger angestrengte Kündigungsrechtsstreit endete am 16. August 2006 mit folgendem Prozessvergleich:

“1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen am 31.5.2006 beendet worden ist. 2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.5.2006 ordnungsgemäß ab und zahlt den sich ergebenden Betrag an den Kläger aus. 3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Urlaubsanspruch des Klägers durch tatsächliche Gewährung in Natur erfüllt ist. 4. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.”

Der Kläger verlangt Vergütung für die Zeit vom 18. März bis zum 31. Mai 2006 abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit geleisteten Zahlungen. Der Anspruch ergebe sich schon aus dem Prozessvergleich. Zudem habe sich die Beklagte im Annahmeverzug befunden. Er, der Kläger, sei seiner gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung für 2005 jedenfalls bis zum 26. Januar 2006 in vollem Umfang nachgekommen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.205,13 Euro brutto abzüglich 1.781,75 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Dezember 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Vergleich sehe ausschließlich eine Verpflichtung zur Abrechnung vor. Die Abrechnung ergebe mangels Annahmeverzugs nichts zu Gunsten des Klägers. Der Kläger hätte im Rettungsdienst überhaupt nicht eingesetzt werden dürfen, weil er nicht alle vorgeschriebenen Fortbildungen absolviert habe. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung stattgegeben.

I. Der Anspruch beruht auf den §§ 615 Satz 1, 611 Abs. 1 BGB iVm. §§ 293 ff. BGB und § 11 Nr. 3 KSchG.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum 31. Mai 2006. Die Beklagte kam durch den Ausspruch der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in Annahmeverzug, ohne dass der Kläger die Arbeitsleistung anbieten musste, § 296 Satz 1 BGB. Die Höhe der geschuldeten Arbeitsvergütung und der anzurechnenden Leistungen steht außer Streit.

2. Eine den Annahmeverzug ausschließende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung lag nicht vor.

a) Nach § 297 BGB kommt der Arbeitgeber nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Ein Arbeitnehmer ist leistungsunfähig iSv. § 297 BGB, wenn er aus Gründen in seiner Person die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten ausnahmslos nicht mehr verrichten kann. Ob es sich um gesundheitliche, rechtliche oder andere Gründe handelt, ist nicht maßgebend. Das Unvermögen kann etwa auf einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot oder auf dem Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis beruhen (vgl. schon BAG 24. Juni 1960 – 1 AZR 96/58BAGE 9, 300, 301; 6. März 1974 – 5 AZR 313/73 – zu I 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 29; 18. Dezember 1986 – 2 AZR 34/86 – zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 297 Nr. 2 = EzA BGB § 615 Nr. 53; 15. Juni 2004 – 9 AZR 483/03 – zu I 2, 3 der Gründe, AP BGB § 611 Bergbau Nr. 25; 3. November 2004 – 5 AZR 592/03BAGE 112, 299, 301; 8. November 2006 – 5 AZR 51/06 – zu I 2 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 17) .

b) Die Beklagte beruft sich auf § 5 Abs. 5 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (RettG NRW) vom 24. November 1992. Nach dieser Bestimmung hat das in der Notfallrettung und im Krankentransport eingesetzte nichtärztliche Personal jährlich an einer mindestens 30-stündigen aufgabenbezogenen Fortbildung teilzunehmen und dies nachzuweisen. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, handelt es sich freilich nicht um einen Fall des fehlenden Leistungsvermögens.

aa) Soll eine Rechtsnorm das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit begründen, muss sie diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Die Voraussetzung für die Berufsausübung muss aus rechtsstaatlichen Gründen eindeutig geregelt sein. Unabhängig davon, ob ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder der Berufsausübung vorliegt, bedarf es einer vorhersehbaren und berechenbaren Grundlage hinsichtlich Voraussetzungen und Folgen. Nach dem Gebot der Rechtssicherheit ist im Zweifel kein die Berufstätigkeit als solche untersagendes Beschäftigungsverbot anzunehmen. Vielmehr muss der Betroffene eine derart einschneidend wirkende Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach einrichten können (vgl. schon BVerfG 18. Dezember 1953 – 1 BvL 106/53BVerfGE 3, 225, 237; 30. Mai 1956 – 1 BvF 3/53BVerfGE 5, 25, 31; 17. November 1992 – 1 BvL 8/87BVerfGE 87, 234, 263; 9. April 2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01BVerfGE 108, 52, 75) .

bb) § 5 Abs. 5 RettG NRW regelt weder eine für den Zugang zur Berufstätigkeit erforderliche Erlaubnis noch eine sonstige Voraussetzung, deren Fehlen zu einem Beschäftigungsverbot führt. Das ergibt schon die Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut. Zwar handelt es sich um eine zwingende Verpflichtung, Folgen der Pflichtverletzung werden aber nicht aufgeführt. Sie sind auch keineswegs selbstverständlich. Fehlende oder unvollständige Fortbildung lässt das Personal nicht generell ungeeignet erscheinen.

Abgesehen von der für die Betroffenen nicht erkennbaren Rechtsfolge wären auch die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot inhaltlich und zeitlich nicht hinreichend bestimmt. § 5 Abs. 5 RettG NRW unterscheidet nicht zwischen der Verletzung der Teilnahmepflicht und der Verletzung der Nachweispflicht und bestimmt nicht, wie der Nachweis zu führen ist. Einerseits können hier nicht prozessrechtliche Regelungen (zB §§ 138, 286 ff. ZPO) herangezogen werden, andererseits bedarf es nicht stets einer Urkundenvorlage. Offenbar soll es auf die Kenntnis und Überzeugung des Arbeitgebers ankommen. Darüber hinaus ist der Begriff der aufgabenbezogenen Fortbildung nicht eindeutig genug. Ein bestimmter Fortbildungskanon ist nicht vorgeschrieben. Unklar bliebe auch, ob schon die unvollständig oder (teilweise) nicht ordnungsgemäß absolvierte Fortbildung das Beschäftigungsverbot auslösen würde. Schließlich fehlte es an einem deutlichen zeitlichen Bezug. Selbst wenn man die Fortbildungspflicht auf das (volle) Kalenderjahr bezieht, blieben der Zeitpunkt des Eintritts eines Beschäftigungsverbots und die Bedeutung einer Nachholung einzelner Fortbildungsstunden zweifelhaft. So streiten die Parteien auch über die Bewertung einzelner Fortbildungsmaßnahmen, nämlich darüber, ob die Fortbildungen vom 17. Februar 2005 und vom 26. Januar 2006 “gleichzeitig gelten” können.

Das Landesarbeitsgericht weist weiter zutreffend auf die Systematik des RettG NRW hin. § 4 RettG NRW regelt die an bestimmte Prüfungen, Zeugnisse oder Nachweise geknüpften Voraussetzungen für den Personaleinsatz. § 5 regelt zwingende Pflichten im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung. Soweit eine Tätigkeit darüber hinaus verboten ist, enthält die Norm eindeutige Regelungen (Abs. 2: “darf nicht tätig werden”; Abs. 3: “darf … nicht einsetzen”) .

Sinn und Zweck der Fortbildungspflicht erfordern nicht ein – absolut wirkendes – Beschäftigungsverbot bei Defiziten der Fortbildung. Es ist nicht erkennbar, dass Eignung und Befähigung mit Ablauf des Kalenderjahres entfallen und die Tätigkeit dann “verboten” sein soll. Vergleichbare Berufsgruppen unterliegen keinem Beschäftigungsverbot im Zusammenhang mit aufgabenbezogenen Fortbildungspflichten. Unabhängig davon, ob es aus rechtsstaatlichen Gründen (Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Eingriffs) überhaupt statuiert werden kann, bedürfte es jedenfalls einer eindeutigen Bestimmung. Hieran fehlt es.

3. § 5 Abs. 5 RettG NRW regelt danach eine Pflicht des Arbeitnehmers, ohne die Folgen der Pflichtverletzung selbst zu bestimmen. Diese ergeben sich aus den allgemeinen Grundsätzen. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es handele sich nicht nur um eine berufsrechtliche, sondern auch um eine arbeitsvertragliche, dem Arbeitgeber geschuldete Verpflichtung. Dafür spricht dessen Verantwortung als Träger der rettungsdienstlichen Aufgaben; ein öffentlich-rechtliches Kontrollverfahren gegenüber dem Personal ist nicht vorgesehen. Der Arbeitgeber kann deshalb die Nichteinhaltung der Fortbildungspflicht dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gem. § 273 Abs. 1 BGB entgegenhalten. Das Zurückbehaltungsrecht gibt eine aufschiebende Einrede. Nur wenn der Arbeitgeber das Zurückbehaltungsrecht geltend macht, kann er die geschuldete Beschäftigung – und damit auch die Vergütungszahlung – verweigern. Daran ändert nichts der Umstand, dass er hierzu nach Verwaltungsvorschriften und vertraglich gegenüber seinem Auftraggeber verpflichtet ist. Nr. 9 des Runderlasses des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 21. Januar 1997 (MBl. NW 1997, 140) verbietet die Beschäftigung nicht aufgrund eines Gesetzes; als bloßer Verwaltungsregelung kommt der Bestimmung nicht die Bedeutung eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots zu. Vielmehr wird der Träger rettungsdienstlicher Aufgaben angehalten, die Nachweise gem. § 5 Abs. 5 RettG NRW zu verlangen.

Die Beklagte hat ein Zurückbehaltungsrecht weder ausdrücklich noch stillschweigend geltend gemacht. Sie hat die Beschäftigung bis zum 31. Mai 2006 nicht wegen einer unvollständigen Fortbildung, sondern allein wegen der außerordentlichen Kündigung verweigert. Anderenfalls hätte der Kläger der Einrede Rechnung tragen können und die ggf. noch fehlenden Fortbildungsstunden kurzfristig nachholen können. Rückwirkend kann das Zurückbehaltungsrecht nicht mehr ausgeübt werden, da es sich um ein Druckmittel zwecks Bewirkung der gebührenden Leistung handelt. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung schon bewirkt ist und deswegen nicht mehr zurückgehalten werden kann oder ob sie aus anderen Gründen unterblieben ist; denn auch in diesem Fall kann der Arbeitgeber die an eine bestimmte Zeit gebundene Beschäftigung nicht mehr zurückhalten. Die nachträgliche Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wäre gegenstandslos, da weder die Beschäftigung noch die Fortbildung mit Wirkung für die Vergangenheit nachgeholt werden kann. Deshalb ergeben sich die Folgen der unterbliebenen Arbeitsleistung des Klägers allein aus den §§ 615, 293 ff. BGB, nicht aus § 273 BGB.

II. An dieser Rechtslage hat der Prozessvergleich vom 16. August 2006 nichts zu Gunsten der Beklagten geändert. Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich, das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung “ordnungsgemäß abzurechnen”, wird hierdurch im Zweifel nur die ohnehin bestehende Rechtslage bestätigt (Senat 19. Mai 2004 – 5 AZR 434/03 – zu I der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien den Vergütungsanspruch im Vergleich einschränken, insbesondere ein Leistungshindernis nachträglich noch berücksichtigt wissen wollten. Vielmehr spricht die Interessenlage im Ergebnis eher für die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die Parteien hätten die Frage des Unvermögens des Klägers im Abrechnungszeitraum gerade nicht offenlassen wollen und auf die bereits erkennbare Einwendung, der Kläger habe mangels Fortbildung nicht vertragsgemäß beschäftigt werden können, sei verzichtet worden. Diese Frage bedarf aber keiner abschließenden Klärung.

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Quelle: BAG

Kündigung wegen Notkompetenz

ArbG Koblenz (Mayen) – 07.11.2008 – 2 Ca 1567 / 08

DER FALL:
Der Kläger ist RA und bereits wegen angeblich rechtswidriger Medikamentengabe abgemahnt. In zwei weiteren Notfalleinsätzen behandelte er eine Patientin mit Bluthochdruck auf der Fahrt in die Klinik mit Ebrantil, am gleichen Tag einen Patienten mit Fraktur mit Novaminsulfon und MCP. Im zweiten Fall war der Weg zur Klinik 700 m. Einen Notarzt alarmierte er jeweils nicht, weil der Zeitverlust zu groß gewesen wäre.

DAS GERICHT:
Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Nach Auffassung des ArbG Koblenz verstößt ein RA bei der Verabreichung von Medikamenten nicht gegen §5 Heilpraktikergesetz. Die Arbeitgeberseite habe weder darlegen und beweisen können, dass der Kläger gegen Vorgaben des Ärztl. Leiters RD verstossen habe noch, dass durch die Medikamente Gefährdungen der Patienten eingetreten seien. Das DRK habe auch nicht bestritten, dass diese Medikamente auf dem RTW vorgehalten werden und nicht behauptet, deren Verwendung stehe nur den Ärzten zu. Insofern hat der Kläger im Rahmen seines Ermessens in einer Notkompetenzsituation keinen wichtigen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geboten.

ANMERKUNG RA SPENGLER:
Das Urteil ist eine wichtige Fortsetzung der alten Notkompetenz-Urteile aus den frühen 1990 igern (siehe unten). Aber letztendlich hat der Kläger vor allem deshalb seinen Arbeitsplatz, weil die Arbeitgeberseite ihrer prozessualen Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen ist. Eine Grundsatzentscheidung – noch dazu mit dem Tenor, es sei alles erlaubt – ist das nicht.

Qelle: Mit freundlicher Genehmigung der Rechtsanwaltskanzlei Spengler

Wechselschichtzulage bei Bereitschaftszeiten von Rettungssanitätern

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2008 – 10 AZR 669/07

Nach dem am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Zulage von monatlich 105,00 Euro und einen Zusatzurlaub. Auch die im Rettungsdienst üblichen Bereitschaftszeiten können in Wechselschicht geleistet werden und die entsprechenden Leistungen auslösen.

Auf die Zahlung der Wechselschichtzulage und den Zusatzurlaub geklagt hatte ein Rettungssanitäter einer Rettungswache, der in zwei Dienstschichten von je 12 Stunden regelmäßig nach einem Dienstplan eingesetzt wurde. Nachdem der beklagte Landkreis bis zum Juni 2006 die Wechselschichtzulage gezahlt und den Zusatzurlaub gewährt hatte, stellte er diese Leistungen ein. Er begründete dies damit, dass in die regelmäßige Arbeitszeit in nicht unerheblichem Umfang Zeiten fielen, in denen keine Vollarbeit geleistet werde. Der Kläger hat gemeint, die durch die Zulage auszugleichenden Belastungen lägen auch und gerade während der Bereitschaftszeiten vor, in denen ständig die sofortige Einsatzbereitschaft sichergestellt sein müsse. Das Landesarbeitsgericht hatte dem Kläger lediglich eine Schichtzulage in Höhe von 40,00 Euro monatlich zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen hatten der beklagte Landkreis Revision und der Kläger Anschlussrevision eingelegt.

Die Revision des beklagten Landkreises hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg, während die Anschlussrevision des Klägers erfolgreich war. Dem Kläger stehen nach der tariflichen Regelung die beanspruchten Leistungen im vollen Umfang zu. Der Kläger leistet in der Rettungswache ständig Wechselschichtarbeit, da in ihr ununterbrochen in wechselnden Arbeitsschichten gearbeitet wird. Bereitschaftszeiten gehören zur regelmäßigen Arbeitszeit. Im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst, der außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten ist und gesondert vergütet wird, umfassen die Bereitschaftszeiten keine im voraus festgelegte Zeiten ohne Arbeitsleistung, so dass die wechselnden Arbeitsschichten auch durch die Zeiten, in denen nicht voll gearbeitet wird, im tariflichen Sinne nicht unterbrochen werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2008 – 10 AZR 669/07 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2007 – 9 Sa 625/07