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Geregelter Feierabend auch im Rettungsdienst – Landesarbeitsgericht Sachsen 2 Sa 430/01

Die Dienstzeit eines Rettungsassistenten ist (hier: nach 12 Stunden Dienst und sechs Minuten vor Dienstende) verlängert sich nicht deshalb und ohne zeitliche Grenze, weil sein Arbeitgeber mit der Durchführung von Notfallrettung unter Einhaltung einer bestimmten Hilfsfrist beauftragt ist (ähnlich LAG Baden-Württemberg vom 23.11.2000 – 4 Sa 81/00 -, AuR 2001, 512, 513).


Sächsisches Landesarbeitsgericht IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 430/01

Verkündet am 23. Januar 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht – Kammer 2 – durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht … als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn … und Herrn … auf die mündliche Verhandlung vom 09.01.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 21.03.2001 – 1 Ca 1011/01 – teilweise abgeändert:

Die Klage wird hinsichtlich des Ausspruches zu Ziff. 2) in dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/4, der Beklagte 3/4.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen und hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung sowie um Prozeßbeschäftigung.

Der am … geborene Kläger ist verheiratet und für zwei Kinder unterhaltspflichtig. Seit dem 01.07.1994 ist er bei dem Beklagten beschäftigt, zuletzt als Rettungsassistent. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt ca. 3.800,00 DM.

Dem Beklagten ist als privater Hilfsorganisation die Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport übertragen. Er betreibt u. a. die Rettungswache …. Dieser ist der Kläger zugewiesen.

Der Kläger war am 01.12.2000 gemeinsam mit dem Rettungsassistenten … zum Nachtdienst eingeteilt. Dieser begann am 01.12.2000 um 19.00 Uhr und sollte am 02.12.2000 um 7.00 Uhr enden.

Am 02.12.2000 gegen 6.54 Uhr befanden sich der Kläger und … nach einem Einsatz in … auf dem Rückweg zur Rettungswache …. Mit an Bord des Rettungstransportwagens (RTW) war der diensthabende Notarzt. In der Ortslage … verließen sie die Bundesstraße 6, um in der dortigen Bäckerei private Einkäufe zu tätigen. Während das Fahrzeug stand, wurde mittels Piepsers ein Einsatzauftrag angekündigt. Im RTW wurden alle für den Einsatz erforderlichen Daten mitgeteilt und der Auftrag durch den Arbeitnehmer …, der sich als erster wieder im Fahrzeug befunden hatte und an diesem Tag als Fahrer tätig war, angenommen. Der Kläger nahm im hinteren Teil des RTW Platz, da der Notarzt zwischenzeitlich den Beifahrersitz eingenommen hatte. Der Einsatzort befand sich in …. Für die Fahrt dorthin wurde nicht die kürzeste, teilweise aber über Nebenstraßen führende Strecke, sondern der wesentlich längere Weg über … über die B 6 und die B 98 gewählt.

Beide Rettungsassistenten entschlossen sich, in … einen „fliegenden Wechsel“ mit der für die Tagesschicht zuständigen Besatzung des RTW durchzuführen. Der Arbeitnehmer … bereitete diesen vor, indem er während der Fahrt per Handy die in der Wache schon bereitstehende Mannschaft der Tagesschicht über den beabsichtigten Wechsel sowie den in … durchzuführenden Einsatz informierte.

Der Wechsel wurde dann wie geplant durchgeführt, wobei jedoch auch der Notarzt ausstieg. Der Rettungseinsatz in … wurde durch die nachfolgende RTW-Besatzung ausgeführt.

Besonderheiten bezüglich des Dienstablaufes wurden vom Kläger nicht dokumentiert.

Beim Beklagten ist es üblich, daß die Dienstzeiten der RTW-Besatzungen nahtlos aneinander anschließen. Vorkehrungen für Rettungsaufträge, die kurz vor Dienstschluß einer RTW-Besatzung erteilt werden – wie beispielsweise überlappende Dienstzeiten oder das Vorhalten einer Ersatzmannschaft – gibt es nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung nicht.

Am 12.12.2000, den der Beklagte als den Tag der Kenntnisnahme von den Vorgängen am 02.12.2000 angibt, führte der Geschäftsführer des Beklagten im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden eine telefonische Anhörung des sich im Urlaub befindlichen Klägers zum Ablauf seines Dienstes am 02.12.2000 durch.

Mit Schreiben vom 13.12.2000 wurde der Kläger bis auf weiteres vom Dienst beurlaubt.

Der bei dem Beklagten errichtete Betriebsrat wurde mit Schreiben vom 13.12.2000 zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers angehört. Am 19.12.2000 antwortete der Betriebsrat, daß er die Anhörung zur Kenntnis genommen habe und sich nicht in der Lage sehe, sich ein abschließendes Urteil zu bilden.

Mit Schreiben vom 21.12.2000, dem Kläger zugegangen am 22.12.2000, sprach der Beklagte mit Wirkung zum 22.12.2000 die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger aus und erklärte vorsorglich eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zum 31.03.2001. Zur Begründung wurde u. a. hingewiesen auf die Durchführung eines privaten Einkaufes während der Dienstzeit, die Übernahme eines nicht durchgeführten Rettungseinsatzes, die Inkaufnahme einer erheblichen Verlängerung der Hilfsfrist durch die Wahl eines weiteren Fahrtweges unter Rückkehr zur Rettungswache sowie die unterlassene Dokumentation der Besonderheiten während des Dienstablaufes.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 09.01.2001 bei dem Arbeitsgericht Bautzen eingegangenen Klage gewandt.

Mittlerweile ist dem Kläger von dem Beklagten wegen strittiger Arbeitsverweigerung eine weitere Kündigung erklärt worden, die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Der Kläger hat vorgetragen, daß der Kauf von Lebensmitteln zum Verzehr während des Dienstes vom Beklagten erlaubt und auch gängige Praxis sei. Im übrigen sei aus hygienischen Gründen die Aufbewahrung und der Verzehr von Lebensmitteln im RTW verboten.

Der nach … gewählte Weg sei zwar länger, aber zeitbezogen und wegen der Witterungsverhältnisse sicherer gewesen, da die kürzere Strecke über Nebenstraßen sowie einen steilen Berg geführt hätte und bei 1 ° Celsius mit Bodenfrost gerechnet werden mußte. Er hätte ebenfalls den längeren Weg gewählt.

Weiter hat der Kläger vorgetragen, daß fliegende Schichtwechsel bei dem Beklagten üblich seien. In der fraglichen Nachtschicht sei ein Wechsel aufgrund fiebriger Beschwerden des Arbeitnehmers … auch erforderlich gewesen.

Bezüglich der Hilfsfrist von zehn Minuten hat der Kläger darauf hingewiesen, daß diese aufgrund der Entfernung unabhängig von der Fahrstrecke und einem evtl. Wechsel ohnehin nicht hätte eingehalten werden können.

Der Kläger hat vorgebracht, daß es beim Beklagten keine Anweisung dazu gebe, was dokumentationspflichtige Vorkommnisse seien. Auch sei diesbezüglich nie eine Überprüfung durchgeführt worden.

Nach Ansicht des Klägers liegen keine Kündigungsgründe vor, auch eine Interessenabwägung müsse zu seinen Gunsten ausgehen. Der Ausspruch der Kündigung sei unverhältnismäßig, da keine vorherige Abmahnung erfolgt sei.

Die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratsanhörung hat er im einzelnen bestritten.

Der Kläger hat zuletzt den Antrag gestellt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 21.12.2000, zugegangen am 22.12.2000, nicht aufgelöst wurde;

2. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 21.12.2000, zugegangen am 22.12.2000, nicht aufgelöst wird;

3. den Beklagten zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen zu Ziffer 1 bis 2 zu den im Arbeitsvertrag vom 01.07.1994 geregelten Arbeitsbedingungen als Rettungsassistent bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsanträge weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach dem Vortrag des Beklagten sei die Wahl des längeren Anfahrtsweges nach … nicht durch Witterungsverhältnisse bedingt gewesen. Die Temperaturen hätten bei 2 ° Celsius gelegen und ein Winterdienst sei nicht erforderlich gewesen. Die Auswahl des Weges habe nur auf dem Wunsch nach Beendigung des Dienstes beruht.

Jedes Vorkommnis, das zur Verlängerung der Hilfsfrist führe, sei dokumentationspflichtig.

Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei nicht zumutbar, da der Kläger die arbeitsvertragliche Pflicht, die Hilfeleistung in kürzest möglicher Zeit zu erbringen, aus eigennützigen Motiven nur zur Sicherung eines pünktlichen Dienstendes verletzt habe. Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, daß sich durch das Verhalten des Klägers der therapiefreie Intervall verlängert habe und ihm aufgrund seiner Ausbildung bewußt gewesen sein müsse, daß dadurch das Leben des Notfallpatienten gefährdet werde. Eine Abmahnung sei wegen der Schwere des Pflichtverstoßes entbehrlich gewesen.

Mit Urteil vom 21.03.2001 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Bezüglich des Einkaufs und des Vorwurfs der Nichtdokumentation von Besonderheiten des Dienstablaufes hat das Arbeitsgericht schon das Bestehen entsprechender Pflichten nicht feststellen können. Im Hinblick auf die Wahl des Fahrtweges sei keine Pflichtverletzung durch den Kläger vorgekommen, da dieser nur Mitfahrer gewesen sei. Selbst wenn man eine diesbezügliche Mitentscheidungsmöglichkeit des Klägers unterstelle, könne aufgrund der Umstände nicht von einer Ermessensüberschreitung ausgegangen werden.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 19.04.2001 zugestellte Urteil am 11.05.2001 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis 11.07.2001 am 10.07.2001 begründet.

Der Beklagte verteidigt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen die ausgesprochene Kündigung.

Er weist auf § 2 Abs. 2 Satz 3 des Sächsischen Rettungsdienstgesetzes und Ziffer 5.2 des Sächsischen Landesrettungsdienstplanes hin, wonach die Hilfsfrist bis zum Eintreffen am Einsatzort nur zehn bzw. zwölf Minuten betragen dürfe. Daraus ergäbe sich, daß auch dann, wenn diese Frist nicht eingehalten werden könne, schnellstmöglich Hilfe zu leisten sei. Diese Pflicht zur Notfallversorgung träfe die Besatzung des RTW an sich, unabhängig davon, wer Fahrer sei.

Bezüglich des Einkaufs in der Bäckerei ist der Beklagte der Ansicht, daß es zumindest unverhältnismäßig sei, einen solchen sieben Minuten vor Dienstschluß zu tätigen. Der Kläger hätte dies nach Dienstende erledigen können.

Ein Grund i. S. von § 626 Abs. 1 BGB sei gegeben, da der Kläger sich außerordentliche Pflichtwidrigkeiten habe zuschulden kommen lassen. Zum einen läge ein Verstoß des Klägers im Leistungsbereich vor, denn die Durchführung eines Notfalleinsatzes auch nach Dienstende gehöre zu den Grundlagen der Notfallmedizin. Zum anderen sei der Vertrauensbereich betroffen. Die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit sei vom Kläger überwiegend außerhalb der Rettungswache zu erbringen, weshalb er, der Beklagte, darauf vertrauen können müsse, daß Einsätze ordnungsgemäß durchgeführt werden.

Im Rahmen der Interessenabwägung müsse beachtet werden, daß der Rettungsdienst eine öffentliche Aufgabe sei, weswegen eine mittelbare Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 des Bundesangestelltentarifvertrages in Betracht komme. Danach habe jeder Mitarbeiter zu berücksichtigen, daß die Öffentlichkeit an das Verhalten eines Bediensteten im öffentlichen Dienst einen strengeren Maßstab anlege.

Nach Ansicht des Beklagten sei eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen, weil der Vertrauensbereich gestört sei und der Kläger gewußt haben müsse, daß sein Verhalten vertragswidrig sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 21.03.2001 – 1 Ca 1011/01 – abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger bezieht sich auf sein Vorbringen aus erster Instanz.

Er legt eine an die Rettungswachen … und … gerichtete Hausmitteilung des Beklagten aus dem Jahre 1996 vor, worin die Besorgung der Tagesverpflegung durch die Mitarbeiter während des Dienstes bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen erlaubt wurde.

Der Kläger weist darauf hin, daß für den Einsatz in … aufgrund der räumlichen Entfernung vorrangig die Rettungswachen … und … zuständig gewesen wären.

Nach Ansicht des Klägers müsse im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden, daß aufgrund der fehlerhaften Organisation der Schichtwechsel durch den Beklagten vorprogrammiert sei, daß die Rettungsmannschaften Einsätze über ihren ohnehin schon langen Dienst hinaus durchführen müssen.

Der Kläger weist unter Beweisantritt noch einmal auf die Üblichkeit eines fliegenden Wechsels bei dem Beklagten hin.

Hierauf erwidert der Beklagte, er bestreite, daß ein Besatzungswechsel nach Übernahme des Einsatzes bei Notfalleinsätzen regelmäßig von ihm geduldet werde.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist nur insoweit begründet, als mit ihr die Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen in dessen Ausspruch zu Ziffer 2 begehrt wird. Denn der Anspruch auf Prozeßbeschäftigung ist durch die Folgekündigung untergegangen.

Im übrigen ist die Berufung unbegründet, da die zulässige Kündigungsschutzklage insgesamt begründet ist:

I.

Das Arbeitsverhältnis wurde durch keine der beiden streitgegenständlichen Kündigungen aufgelöst.

1.

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ist unwirksam.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dies ist gegeben, wenn der Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden, eine auf den Einzelfall bezogene Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

a) Ein Kündigungsgrund an sich liegt insbesondere vor, wenn eine Partei des Arbeitsvertrages ihre Vertragspflichten in schwerwiegender Weise verletzt.

Eine solche Verletzung von Vertragspflichten liegt hier in der Annahme des Rettungseinsatzauftrages für … und nachfolgender Durchführung des Besatzungswechsels ohne Information der Rettungsleitstelle über den geplanten Wechsel.

Zu den Aufgaben des Klägers als Rettungsassistent zählt die Durchführung von Notfallrettungseinsätzen, was schon aus dem Berufsbild des Gesetzes über den Beruf der Rettungssanitäter und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz vom 10.07.1989, BGBl I S. 1384) – dort in § 3 als Ausbildungsziel formuliert – folgt. Notfallrettung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 des Sächsischen Rettungsdienstgesetzes (Gesetz über Rettungsdienst, Notfallrettung und Krankentransport für den Freistaat Sachsen vom 07.01.1994, GVBl. S. 1261) die Durchführung von lebensrettenden Maßnahmen bei Notfallpatienten, die Herstellung ihrer Transportfähigkeit und ihre unter fachgerechter Betreuung erfolgende Beförderung in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus. Dabei sind Notfallpatienten Kranke oder Verletzte, die sich in Lebensgefahr befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht umgehend medizinische Hilfe erhalten. Aus diesen Besonderheiten ergibt sich, daß entsprechende Einsätze in möglichst kurzer Zeit durchzuführen und Verzögerungen zu vermeiden sind. Dies wird unterstrichen durch die Aufstellung einer Hilfsfrist von zehn Minuten in § 2 Abs. 2 Satz 3 des Sächsischen Rettungsdienstgesetzes. Sind erhebliche Verzögerungen bei der Einsatzdurchführung aufgrund der besonderen Umstände zu besorgen, so ist entweder die Übernahme des Auftrages unter Angabe der Gründe abzulehnen oder die Rettungsleitstelle bei Auftragsübernahme, spätestens aber bei Erkennbarkeit erheblicher Verlängerung der Hilfsfrist über die Gründe der Verzögerung zu unterrichten. Die Leitstelle hat dann die Möglichkeit, den Einsatz eines anderen, unter Berücksichtigung der gemeldeten Verzögerung evtl. schnelleren Rettungsmittels zu disponieren.

Vorliegend wurde der Rettungsauftrag für … angenommen und auf dem Weg dorthin ein Besatzungswechsel durchgeführt. Dies führte zu einer zeitlichen Verzögerung der wegen räumlicher Entfernung nicht einhaltbaren Hilfsfrist, da für den Wechsel ein längerer Weg erforderlich war, der zumindest in der Abfahrt von der B 6 zur Rettungswache … und zurück zur Straße bestand. Auch der Wechsel selbst beanspruchte Zeit. Von dem geplanten fliegenden Wechsel wurde die Rettungsleitstelle nicht informiert, vielmehr erfolgte die Vorbereitung des Schichtwechsels über ein privates Handy, womit die Möglichkeit des Einsatzes anderweitiger Rettungsmittel durch die Leitstelle aus der Hand gegeben wurde. Erschwerend kommt hinzu, daß dem Notarzt aufgrund des Wechsels Gelegenheit zum Verlassen des Wagens gegeben wurde, was dieser auch genutzt hat. Damit war das Hilfspotential durch Eigenmächtigkeit erheblich verringert.

Der streitige Vortrag des Klägers, daß eine mit Fieber verbundene Erkrankung des … der Grund für den Wechsel gewesen sei, ändert nichts am Vorliegen einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, da auch in einem solchen Fall die Besatzung des RTW zu einer Information der Leitstelle bzw. sogar zur Ablehnung des Auftrages verpflichtet gewesen wäre.

Hinsichtlich des Einkaufs in der Bäckerei in … ist ein Vertretungsverstoß vom Beklagten nicht hinreichend dargelegt.

Dieser hat nur vorgetragen, daß ein solcher Einkauf nicht gestattet sei. Dem ist der Kläger mit Beweisangeboten entgegengetreten mit dem Vortrag, daß Einkäufe von Lebensmitteln zum eigenen Verzehr während des Dienstes vom Beklagten erlaubt und auch gängige Praxis seien. Da aus hygienischen Gründen Lebensmittel im RTW weder aufbewahrt noch verzehrt werden dürften, seien Einkäufe im Hinblick auf die Dienstzeit von ca. zwölf Stunden auch erforderlich. Dieser Vortrag des Klägers wird untermauert durch die vorgelegte Hausmitteilung des Beklagten, worin dieser den Mitarbeitern der genannten Wachen den Einkauf während des Dienstes ausdrücklich erlaubt hat. Deshalb spielt auch der Zeitpunkt des Einkaufes keine Rolle.

Eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten im Hinblick auf die unterlassene Dokumentation von Besonderheiten im Dienstablauf kann nicht festgestellt werden. Der Beklagte hat nicht dargelegt, woraus sich eine solche vom Kläger bestrittene Dokumentationspflicht ergeben solle.

Als Pflichtverletzung wurde vom Beklagten des weiteren die Wahl des längeren Anfahrtsweges zum Einsatzort in … über die Bundesstraßen angeführt.

Hierbei ist zwischen den Parteien streitig, ob die Entscheidung für den längeren Weg durch ungünstige Witterungsverhältnisse, Bodenfrost und schlechter beräumte Nebenstraßen gerechtfertigt ist. Jedoch kann dies dahinstehen, denn selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, daß die vom Kläger vorgetragenen Witterungsverhältnisse nicht vorgelegen haben, könnte die Wahl des Anfahrtsweges über die B 6 zumindest unter dem Aspekt der Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen. Daher bedarf es auch keiner Entscheidung, ob den Kläger als Mitfahrer überhaupt eine Verantwortung bezüglich der Auswahl des Fahrtweges trifft.

b) Die auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Interessenabwägung ergibt, daß eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Beklagten nicht besteht.

In die Abwägung sind die konkreten Umstände des Einzelfalles wie z. B. Schwere und Folgen der Handlung, Verschulden, Entschuldbarkeit eines Rechtsirrtums und die Dauer einer beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit einzubeziehen.

Der Kläger ist seit 1994 bei dem Beklagten tätig; bisher gab es keine Beschwerden über seine Arbeit.

Zur Begründung seines Interesses an der Lösung des Arbeitsverhältnisses wurde vom Beklagten vorgetragen, daß durch das Verhalten des Klägers der therapiefreie Intervall zwischen Meldung des Notfalles und Eintreffen des Rettungsmittels verlängert und die Hilfsfrist von zehn bzw. zwölf Minuten gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 des Sächsischen Rettungsdienstgesetzes bzw. Ziffer 5.2 des Landesrettungsdienstplanes überschritten wurde.

Dies ist zutreffend. Allerdings hätte aufgrund der räumlichen Entfernung die Hilfsfrist auch ohne Wechsel und bei Wahl des kürzesten Weges nicht eingehalten werden können.

Vom Beklagten wird im übrigen verkannt, daß die genannten Vorschriften ebenso wie die von ihm herangezogenen Grundsätze der Notfallrettung nur im Verhältnis zwischen ihm als dem gemäß § 6 Abs. 1 des Sächsischen Rettungsdienstgesetzes mit der Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport beauftragten Unternehmer und dem Landkreis als Träger des Rettungsdienstes gelten.

Für das Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger und damit auch als Maßstab für die Frage nach einer Kündbarkeit sind die Bestimmungen des Arbeitsvertrages maßgeblich.

Zwar ist die Durchführung von Notfallrettung, der immanent ist, daß sie schnell geschehen muß, Aufgabe des Klägers in seiner Eigenschaft als Rettungsassistent. Jedoch ist er wie jeder Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung nur innerhalb der dem Arbeitsvertrag zu entnehmenden zeitlichen Grenzen seines Dienstes zur Arbeitsleistung verpflichtet. Am 02.12.2000 endete die Dienstzeit des Klägers um 7.00 Uhr. Sechs Minuten davor erreichte ihn der Einsatzauftrag. Bei Durchführung des Auftrages mußte mit einer wesentlichen Verlängerung der Arbeitszeit über den eigentlichen Dienstschluß hinaus, vermutlich um Stunden, gerechnet werden. Eine solche Verlängerung war dem Kläger nach zwölfstündigem Dienst nicht mehr zumutbar. Unabhängig vom etwaigen Vorliegen einer Erkrankung des … war nach zwölf Stunden Nachtdienst eine Übermüdung der RTW-Besatzung nicht auszuschließen. Die Durchführung von hochkonzentrierten Notfalleinsätzen erfordert jedoch im Interesse des Patienten und der Allgemeinheit eine Mannschaft, die nicht grenzenlos zur Arbeit herangezogen wird.

Würde die Ansicht des Beklagten, wonach Notfalleinsätze auch nach Dienstschluß jederzeit und unabhängig von deren Dauer durchzuführen seien, zutreffen, würde es sich beim Dienst einer RTW-Besatzung um einen solchen mit offenem Ende handeln. Der Beklagte selbst konnte in der Berufungsverhandlung keine Grenzen für die Zumutbarkeit der Durchführung von Einsätzen nennen.

Es spricht somit alles dafür, daß der Einsatz aus arbeitsvertraglichen (arbeitszeitrechtlichen) Gründen hätte abgelehnt werden dürfen.

Für den Vorrang der arbeitsvertraglichen Festlegung der Dienstzeit streitet in diesem Zusammenhang die in § 6 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers, wonach Nachtarbeit nicht länger als acht bis zehn Stunden betragen darf, wovon Ausnahmen besonderer Rechtfertigung und Begründung bedürfen.

Gegen ein überwiegendes Lösungsinteresse des Beklagten ist anzuführen, daß die Kollision zwischen Einhaltung der Hilfsfrist und dem Dienstende der RTW-Besatzung aus der Betriebsorganisation des Beklagten resultiert. So sind keine überlappenden Dienstzeiten vorgesehen, vielmehr schließen die Dienste der RTW-Besatzungen nahtlos aneinander an. Für Einsätze, die das Dienstende der Rettungshelfer überschreiten, sind ersichtlich keine Vorkehrungen getroffen. Dies schließt ein – wenn auch untechnisch gemeint – organisatorisches Mitverschulden des Beklagten nicht aus (s. ähnlich hierzu LAG Baden-Württemberg vom 23.11.2000 – 4 Sa 81/00 -, AuR 2001, 512, 513).

Soweit der Beklagte auf die aus § 22 Abs. 1 des Rettungsdienstgesetzes folgende Pflicht zur Notfallrettung hinweist, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese ihn als den mit den Aufgaben des Rettungsdienstes beauftragten Unternehmer trifft. Auch ist es nach § 6 Abs. 2, § 21 Abs. 1 des Sächsischen Rettungsdienstgesetzes seine Pflicht, den Betriebsablauf entsprechend den Erfordernissen des Rettungsdienstes zu organisieren. Eine Pflicht, über ihre Arbeitszeit hinaus Notfallrettung zu betreiben, ergibt sich daraus jedenfalls nicht für die Arbeitnehmer des Beklagten (vgl. auch LAG Baden-Württemberg vom 23.11.2000, a. a. O.).

Die strafrechtliche Würdigung des klägerischen Verhaltens wiederum ist ausschließlich Problem des Klägers.

Soweit der Beklagte dem Kläger die Eigenmächtigkeit seines Handelns vorwirft, ist zuzugeben, daß eine Abstimmung des Wechsels mit der Rettungsleitstelle den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers entsprochen hätte. Jedoch ist zu beachten, daß nach dem Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten in der Berufungsverhandlung ein Hinweis auf das Dienstende vermutlich nicht zu einer Befreiung vom Rettungsauftrag durch die Leitstelle geführt hätte.

Auch ist der mit Beweisantritt unterlegte Vortrag des Klägers in die Überlegungen einzubeziehen, wonach fliegende Wechsel beim Beklagten seit Jahren gängige Praxis seien und nie zu Beanstandungen geführt hätten. Im Hinblick auf die beim Beklagten liegende Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der die Kündigung begründenden Tatsachen sowie des Nichtvorliegens der von dem Arbeitnehmer vorgebrachten Rechtfertigungsgründe ist die Einlassung des Beklagten kein ausreichender Vortrag. Dieser hatte nur vorgebracht, er bestreite, daß ein Besatzungswechsel nach Übernahme eines Auftrages bei Notfalleinsätzen von ihm regelmäßig geduldet werde.

Der Ansicht des Beklagten, daß entsprechend § 8 BAT besondere Rücksichtspflichten der Arbeitnehmer auf das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers bestünden, ist entgegenzuhalten, daß die Vorschrift hier nicht anwendbar ist. Abgesehen davon gehört der Beklagte nicht zum öffentlichen Dienst, sondern ist ein privatrechtlicher Verein.

Die Wahl eines möglicherweise längeren Anfahrtsweges war nur die Folge eines arbeitsrechtlich letztlich ablehnbaren Auftrages. Sie kann daher nicht lösungsbegründend herangezogen werden.

c) Unabhängig von dem Vorstehenden wurde bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung das Ultima-Ratio-Prinzip nicht beachtet. Es wäre eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, eine Abmahnung sei wegen der Schwere des Pflichtverstoßes und der Betroffenheit des Vertrauensbereiches nicht erforderlich gewesen.

Dem ist nicht so.

Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich auch die Kammer anschließt, unterliegt die Prüfung des Erfordernisses einer Abmahnung bei Störungen im Vertrauensbereich auch den Grundsätzen, die in Bezug auf Störungen im Leistungsbereich aufgestellt wurden, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Danach ist eine Abmahnung entbehrlich, wenn es um besonders schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei dem eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. In solchen Fällen müsse dem Arbeitnehmer bewußt sein, daß er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze (vgl. BAG vom 10.02.1999 – 2 ABR 31/98 -, EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 47).

Vorliegend wurde durch die RTW-Besatzung ein Einsatzauftrag angenommen und auf indirektem Weg zum Einsatzort ein fliegender Besatzungswechsel durchgeführt, ohne die Rettungsleitstelle über den geplanten Wechsel zu informieren. Damit wurde die Möglichkeit der Entsendung eines anderen Rettungsmittels durch die Leitstelle abgeschnitten, da diese sich auf die sofortige Durchführung des Auftrages ohne Umwege verlassen konnte und mußte. Allerdings konnte und mußte der Kläger nicht damit rechnen, daß der Beklagte sein arbeitsvertragliches Weisungsrecht im Ergebnis in einem Umfang auf einen Dritten (Träger der Leitstelle) übertragen hat, der Einsätze ohne Rücksicht auf arbeitsvertragliche Bindungen und ohne Remonstrationsmöglichkeit zuweist. Das ist für einen Rettungsassistenten mit der persönlichen Struktur des Klägers ohne vorherige diesbezügliche Klarstellung (e. g. Abmahnung) nicht ohne weiteres erkenn- und hinnehmbar.

d) Nach dem Vorstehenden sind Überlegungen dazu, ob die Kündigung auch aus anderen Gründen unwirksam ist, entbehrlich.

2.

Die vorsorglich ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Kündigung des Klägers zum 31.03.2001 ist mangels sozialer Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam.

Für die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung sind solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände erforderlich, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes eine Kündigung als angemessen erscheinen lassen.

Ein Grund zur Kündigung an sich, d. h. ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles liegt hier in der Übernahme des Rettungsauftrages und Durchführung eines fliegenden Wechsels vor Erreichen des Einsatzortes, ohne die Rettungsleitstelle vorher darüber informiert zu haben.

Jedoch ist der Ausspruch der ordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger nicht verhältnismäßig. Aus den schon bei Prüfung der außerordentlichen Kündigung angeführten Gründen wäre auch vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen, woran es aber fehlt.

Die Abwägung der Interessen der Parteien des Arbeitsvertrages spricht ebenfalls gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Auch wenn man berücksichtigt, daß es bei der ordentlichen Kündigung nicht um eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses geht, erscheint aus den gleichen Erwägungen wie bei der außerordentlichen Kündigung der Ausspruch der ordentlichen Kündigung hier nicht als angemessen. Wegen der Einzelheiten der Interessenabwägung wird auf die Darlegungen im Rahmen der Prüfung der außerordentlichen Kündigung verwiesen.

Im Hinblick auf die eben dargestellten Gründe für die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung können die vom Kläger darüber hinaus geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe dahinstehen.

II.

Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht nicht mehr.

Ein gekündigter Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist bzw. den Zugang der fristlosen Kündigung hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers der Beschäftigung nicht entgegenstehen. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen wird ausgegangen, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder in erster Instanz die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde.

Auch ein entstandener Anspruch auf Prozeßbeschäftigung entfällt allerdings etwa dann, wenn vom Arbeitgeber eine weitere, auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützte Kündigung ausgesprochen wird, die nicht offensichtlich unwirksam ist. Besteht die Möglichkeit, daß die weitere Kündigung wirksam ist, entsteht zusätzliche Ungewißheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, die das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung überwiegen läßt.

Vom Beklagten wurde gegenüber dem Kläger eine erneute Kündigung ausgesprochen. Diese ist nicht offensichtlich unwirksam. Als Kündigungsgrund wurde Arbeitsverweigerung angegeben. Zwar handelte es sich bei der dem Kläger angebotenen Arbeit nicht um eine Tätigkeit als Rettungsassistent. Jedoch beruft der Beklagte sich darauf, daß die Zuweisung einer anderen Tätigkeit vom Arbeitsvertrag gedeckt und auf einen Monat begrenzt war.

B.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Mißerfolg des Beschäftigungsantrages, den der Kläger nicht mit Blick auf die Folgekündigung für erledigt erklärt hat, führt zu einer Kostenlast von 1/4, so daß auf den Beklagten mit 3/4 der Rest der Kosten entfällt.

Dieses Urteil ist nicht anfechtbar. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 a ArbGG durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

Arbeitsverweigerung wegen Überschreitung der Höchstarbeitszeit LArbG Baden-Württemberg 4 Sa 81/00

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 23.11.2000, 4 Sa 81/00

Arbeitsverweigerung wegen Überschreitung der Höchstarbeitszeit

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2000 — 5 Ca 643/00 — wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Worte „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“ unter Ziffer 2. des Tenors des angefochtenen Urteils ersatzlos entfallen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Wert des Gegenstands im zweiten Rechtszug: 12.000,00 DM

Abmahnung wegen Nichtteilnahme an einer im Zusammenhang mit einer Fortbildungsmaßnahme durchgeführten „Leistungskontrolle“ Text Aktenzeichen: 8 Sa 355/12 4 Ca 3346/11 ArbG Koblenz Entscheidung vom 23.01.2013

Aktenzeichen:
8 Sa 355/12
4 Ca 3346/11
ArbG Koblenz
Entscheidung vom 23.01.2013

Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 4.7.2012, Az.: 4 Ca 3346/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entfernung zweier Abmahnungen aus seiner Personalakte.

Der Kläger ist seit dem 14.02.1979 bei der Beklagten als Rettungsassistent beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Bestimmung:

„Der Angestellte verpflichtet sich, die erforderlichen Ausbildungsveranstaltungen zu besuchen mit dem Ziele, die aufgabenorientierten Fähigkeiten für die Berufsausübung zu erwerben.“

Vom 15.03.2011 bis 17.03.2011 nahm der Kläger auf Weisung der Beklagten an einer Fortbildungsveranstaltung teil, in der Kenntnisse über „erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ vermittelt werden sollten. Gegenstand dieser Fortbildungsveranstaltung waren folgende Maßnahmen der medizinischen Notfallversorgung:

– Intubation
– Supraglottische Atemhilfe
– Periphere Venenpunktion
– Applikation ausgewählter Medikamente und Infusionslösungen
– Defibrilation.

Teil dieser Fortbildungsveranstaltung ist auch eine Prüfung bzw. Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“. Der Kläger weigerte sich wiederholt, an dieser Leistungskontrolle teilzunehmen.

Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 08.08.2011 eine Abmahnung folgenden Inhalts:

Abmahnung

Sehr geehrter geehrter Herr A.,

bei der jährlichen rettungsdienstlichen Fortbildungsveranstaltung, an welcher sie vom 15.03.2011 bis 17.03.2011 auf Aufforderung teilnahmen, haben Sie die Teilnahme an der Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ verweigert, obwohl diese Bestandteil der Fortbildungsmaßnahme ist und Ihre Teilnahme hieran wie die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme insgesamt angeordnet war.

Mit Schreiben vom 08.04.2011 wurden Sie daher aufgefordert, an einem von zwei Ihnen alternativ angebotenen Nachprüfungsterminen an der Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ teilzunehmen. Beide Termine haben Sie ungenutzt verstreichen lassen.

Dieses Verhalten stellt eine wiederholte Arbeitsverweigerung dar und kann nicht hingenommen werden. Wegen dieser gravierenden Verletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten erteile ich Ihnen hiermit eine Abmahnung.

Kommen Sie weiteren Aufforderungen, wie für den uneingeschränkten Einsatz in Ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Rettungsassistent erforderlich, an der Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ teilzunehmen, wiederum nicht nach, müssen Sie mit schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis zur Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses rechnen.
…“

Nachdem sich der Kläger in der Folgezeit erneut weigerte, an der betreffenden Leistungskontrolle teilzunehmen, erteilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 21.03.2012 eine weitere Abmahnung folgenden Inhalts:

2. Abmahnung

Sehr geehrter Herr A.,

wiederum haben Sie die Teilnahme an der Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ am 08.03.2012 verweigert.

Aufgrund dessen werden Sie erneut abgemahnt.

Sollten Sie diese Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ nochmals verweigern, sehen wir uns veranlasst, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen.
…“

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.07.2012 (Bl. 110 – 113 d.A.).

Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung des Klägers vom 8. August 2012 aus seiner Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung des Klägers vom 21. März 2012 aus seiner Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.07.2012 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 – 10 dieses Urteils (= Bl. 113 – 118 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 16.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.08.2012 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 17.09.2012 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 17.10.2012 begründet.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Maßnahmen, die Gegenstand der Fortbildungsveranstaltung gewesen seien, von § 3 RettAssG umfasst seien, denn dort sei nur generell die Rede von lebensrettenden Maßnahmen bei Notfallpatienten. Da die Beklagte selbst keine Möglichkeit sehe, ihm gegenüber die Anwendung der in der Fortbildungsveranstaltung erlernten Maßnahmen auch in der Praxis zu fordern, bestehe auch gerade keine vertragliche Verpflichtung seinerseits, die in der Fortbildungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse auch tatsächlich umzusetzen. Weder der Arbeitsvertrag noch die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen sähen vor, dass er sich Leistungskontrollen unterziehen müsse. Soweit das Arbeitsgericht die Leistungskontrolle als sinnvollen Annex zur Weiterbildungspflicht ansehe, so bedeute dies noch lange nicht, dass dadurch eine bindende vertragliche Verpflichtung zur Teilnahme an der Leistungskontrolle bestehe. Die Anordnung, an einer Fortbildung nebst Leistungskontrolle teilzunehmen, entspreche auch nicht billigem Ermessen. Da die Beklagte selbst die Auffassung vertrete, die fehlende Leistungskontrolle stehe seinem Einsatz als Fahrer von Rettungsfahrzeugen nicht entgegen, sei es unbillig, wenn sie trotzdem von ihm die Teilnahme an der Leistungskontrolle verlange. Die Beklagte verhalte sich insoweit widersprüchlich.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 17.10.2012 (Bl. 137 – 141 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 08.08.2011 und vom 21.03.2012 aus seiner Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 19.11.2012 (Bl. 146 – 151 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:
I. 
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

II.  Die auf Entfernung der Abmahnungsschreiben vom 08.08.2011 und vom 21.03.2012 aus der Personalakte des Klägers gerichtete Klage ist nicht begründet.

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung kann sich in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB ergeben. Bei der Abmahnung, die in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich verankert wurde, handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individual-rechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtliche Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr  besteht (BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 606/08NZA 2009, 1111). Soweit dem Arbeitnehmer eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vorgeworfen wird, kommt es nicht darauf an, ob dieser Pflichtenverstoß dem Arbeitnehmer subjektiv vorwerfbar ist; es reicht aus, wenn der Arbeitgeber einen objektiven Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten rügt (BAG v. 07.09.1988 – 5 AZR 625/87AP Nr. 2 zu § 611 BGB Abmahnung). Allerdings ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG v. 09.08.1984 – 2 AZR 400/83AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der beiden Abmahnungsschreiben aus seiner Personalakte.

Weder die Abmahnung vom 08.08.2011 noch die vom 21.03.2012 enthalten unzutreffende Tatsachenbehauptungen. Die Richtigkeit der dort wiedergegebenen Tatsachen wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt.

Die Abmahnungen beruhen auch nicht auf einer fehlerhaften Bewertung des Verhaltens des Klägers. Der im Abmahnungsschreiben vom 08.08.2011 ausdrücklich erhobene und im Abmahnungsschreiben vom 21.03.2012 zumindest konkludent wiederholte Vorwurf, die Weigerungen des Klägers, an der Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ teilzunehmen, stellten eine Arbeitsverweigerung und damit zugleich eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, trifft zu.

Der Arbeitgeber ist im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 106 GewO grundsätzlich berechtigt, den Arbeitnehmer anzuweisen, an Schulungen teilzunehmen, soweit diese Schulungen bzw. Fortbildungsmaßnahmen der Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit förderlich sind, d.h. soweit die im Rahmen der Schulung vermittelten Kenntnisse typischerweise im vereinbarten Tätigkeitsbereich einzusetzen sind (vgl. LAG Hessen v. 11.04.2007 – 8 Sa 1279/06 – zitiert nach Juris; Preis, in: Frankfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 106 GewO Rd.Ziff. 14). Vorliegend haben die Parteien im Arbeitsvertrag darüber hinaus ausdrücklich vereinbart, dass der Kläger verpflichtet ist, die für den Erwerb der aufgabenorientierten Fähigkeiten für die Berufsausübung erforderlichen Ausbildungsveranstaltungen zu besuchen. Zu diesen Fortbildungsmaßnahmen gehört zweifellos auch die Schulung in der Zeit vom 15.03. bis 17.03.2011, zu welcher der Kläger entsandt wurde und in der Kenntnisse über „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ vermittelt wurden. Gemäß § 3 RettAssG entspricht es dem Berufsbild eines Rettungsassistenten, u.a. am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen, die Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen, die lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transports zum Krankenhaus zu beobachten und aufrechtzuerhalten sowie kranke oder verletzte Personen unter sachgerechter Betreuung zu befördern. Hieraus ergibt sich für den Rettungsassistenten zugleich eine Garantenstellung, die den Arztvorbehalt des HeilPrG verdrängt (vgl. Heuchemer, Bolsinger, NZA-RR 2009, 408; vgl. auch ArbG Koblenz v. 07.11.2008 – 2 Ca 1567/08, NZA-RR 2009 419).

Die in der Fortbildungsveranstaltung vom 15.03.2011 bis 17.03.2011 vermittelten Kenntnisse der medizinischen Notfallversorgung (Intubation, Supraglottische Atemhilfe, Periphere Venenpunktion, Applikation ausgewählter Medikamente und Infusionslösungen, Defibrilation) dienen daher zweifellos der Ausübung der dem Berufsbild eines Rettungsassistenten entsprechenden Tätigkeiten. Es handelte sich somit eine „erforderliche Ausbildungsveranstaltung“ im Sinne der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung. Hieraus ergibt sich zugleich die Berechtigung der Beklagten, den Kläger zur Teilnahme an der betreffenden Ausbildungsmaßnahme aufzufordern sowie dessen Verpflichtung, dieser Aufforderung Folge zu leisten.

Die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme umfasste zugleich auch die Pflicht, weisungsgemäß sich der Leistungskontrolle „Erweiterte Versorgungsmaßnahmen“ zu unterziehen. Unstreitig ist diese Leistungskontrolle nämlich Teil der betreffenden Fortbildungsmaßnahme. Im Übrigen stellt sich die Überprüfung, ob die vermittelten Kenntnisse vom Arbeitnehmer erlernt wurden, auch als sinnvoller und im allgemeinen üblicher Annex einer Fortbildungsmaßnahme dar. Der Arbeitgeber hat regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der Feststellung und Dokumentierung, dass der Arbeitnehmer die ihm bei einer Fortbildungsmaßnahme vermittelten und für seine Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse beherrscht. Der Arbeitnehmer seinerseits ist verpflichtet, diese Kenntnisse zu erwerben und vorzuhalten, was durch eine entsprechende Leistungskontrolle nachgewiesen werden kann. Dies gilt insbesondere im höchst verantwortungsvollen Tätigkeitsbereich eines Rettungsassistenten, der im Notfall vor Eintreffen eines Arztes lebensrettende Maßnahmen ergreift.

Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung der Beklagten gegenüber dem Kläger, sich im Rahmen der Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung auch der dazu gehörenden Leistungskontrolle zu unterziehen, nicht billigem Ermessen i.S.v. § 106 GewO entspricht, sind nicht ersichtlich. Wie bereits ausgeführt, besteht ein berechtigtes Interesse der Beklagten bezüglich der Teilnahme des Klägers an der betreffenden Fortbildungsveranstaltung nebst Leistungskontrolle. Es ist in diesem Zusammenhang – entgegen der Ansicht des Klägers – ohne Belang, dass es der Beklagten bei Fehlen von Kenntnissen des Klägers im Bereich der Notfallversorgung möglich wäre, ihn nunmehr (ausschließlich) als Fahrer einzusetzen. Ein überwiegendes Interesse des Klägers, sich der Leistungskontrolle zu verweigern, ist nicht gegeben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, ob und welche Nachteile der Kläger im Falle des Nichtbestehens der Leistungskontrolle zu befürchten hätte. Diesbezüglich käme allenfalls in Betracht, dass der Kläger (vorübergehend, d.h. bis zu einer erfolgreichen Wiederholungsprüfung) von der Beklagten lediglich als Fahrer eingesetzt würde. Insoweit macht der Kläger jedoch selbst geltend, dass ein Einsatz als Fahrer ebenfalls eine vertragsgemäße Beschäftigung darstellt.

Die streitbefangenen Abmahnungen verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung zunächst selbst zu entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers missbilligen will und ob er deswegen eine mündliche oder schriftliche Abmahnung erteilen will. Eine Abmahnung ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Arbeitgeber über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte, etwa weil dem Arbeitnehmer ein bewusster Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten fern lag. Es ist der Beklagten daher vorliegend keinesfalls verwehrt, durch Erteilung von Abmahnungen deutlich zu machen, dass sie die Weigerung des Klägers, wirksame arbeitgeberseitige Weisungen zu befolgen, nicht hinnimmt.

III.  Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Quelle: Justiz Rheinland-Pfalz

 

Feuerwehr haftet nicht für Kollision mit anderem PKW bei einer Einsatzfahrt

Landgericht Magdeburg: 10 O 1964/10 – 10. Zivilkammer – Staatshaftung

Die 10. Zivilkammer des Landgerichts hat mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil des Einzelrichters vom 28.04.2011 die Klage einer PKW Besitzerin gegen die Feuerwehr in Magdeburg abgewiesen.

Am 13.08.2009 gegen 11.45 Uhr befuhr die Klägerin mit ihrem PKW „Mini“ den sogenannten Magdeburger Ring in Fahrtrichtung Nord ab der Auf­fahrt Halberstädter Str./Ecke Bußgeldstelle. Der Magdeburger Ring ist eine kreuzungsfreie Strasse mit jeweils zwei Richtungsfahrbahnen, mit einer angeordneten Höchstgeschwindigkeit mit Tempo 80.

Auf dem Ring fuhren zu diesem Zeitpunkt drei Feuerwehrfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn auf dem Weg zu einem Wohnungsbrand mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h.

Die Klägerin wollte nun auf der linken Spur das mittlere Fahrzeug überholen. Als die Feuerwehr verkehrsbedingt ebenfalls auf die linke Spur wechseln wollte kam es zu einer leichten Streifkollision, bei der am „Mini“ der Klägerin ein Schaden von rund 2.000 € entstand, den sie von der Feuerwehr ersetzt verlangt.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da sich nicht die Feuerwehr sondern die Klägerin falsch verhalten hat. Die Klägerin hätte schon nicht bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h, das mit etwa dieser Geschwindigkeit fahrenden Feuerwehrfahrzeug überholen dürfen. Überholen ist nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nur zulässig, wenn das überholende Fahrzeug deutlich schneller als das zu überholende fährt. Überdies hat die Klägerin nicht beachtet, dass Einsatzfahrzeugen mit Blaulicht und Martinshorn nach der StVO sofort freie Bahn zu verschaffen hat. Dies bedeutet, dass alle „normalen“ Fahrzeuge beiseite fahren, notfalls anhalten müssen, um freie Bahn zu schaffen „Beiseitefahren“ bedeutet aber mit Sicherheit nicht ein Feuerwehrfahrzeug im Einsatz zu überholen. Ein Überholen in dieser Situation führt zur Behinderung des Einsatzfahrzeuges und schafft neue Gefahrenquellen.

Übrigens: Ein weiterer Löschzug hatte hier den Einsatzort rechtzeitig erreicht, so dass es trotz des Unfalls zu keinen Beeinträchtigungen bei den Löscharbeiten kam.

Pressemitteilung des LG Magdeburg

Ein zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führendes gesetzliches Beschäftigungsverbot setzt eine nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen eindeutige Regelung voraus.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Februar 2008 – 8 Sa 1592/07 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Die Beklagte führt Notfallrettungen und Krankentransporte durch. Der im Jahre 1973 geborene Kläger war bei ihr seit dem 1. Januar 2001 als Rettungsassistent beschäftigt. Er bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von 1.738,12 Euro brutto.

Vom 27. Februar bis zum 17. März 2006 war der Kläger arbeitsunfähig krank geschrieben. Am 18. März 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. April 2006. Sie warf dem Kläger vor, nach der Manipulation eines dienstlichen Telefons unerlaubt Privatgespräche geführt zu haben; außerdem habe der Kläger die Erkrankung nur vorgetäuscht und trotz eines angeblichen Bandscheibenvorfalls eigenhändig seinen privaten Umzug durchgeführt.

Der vom Kläger angestrengte Kündigungsrechtsstreit endete am 16. August 2006 mit folgendem Prozessvergleich:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen am 31.5.2006 beendet worden ist. 2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.5.2006 ordnungsgemäß ab und zahlt den sich ergebenden Betrag an den Kläger aus. 3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Urlaubsanspruch des Klägers durch tatsächliche Gewährung in Natur erfüllt ist. 4. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.“

Der Kläger verlangt Vergütung für die Zeit vom 18. März bis zum 31. Mai 2006 abzüglich der von der Bundesagentur für Arbeit geleisteten Zahlungen. Der Anspruch ergebe sich schon aus dem Prozessvergleich. Zudem habe sich die Beklagte im Annahmeverzug befunden. Er, der Kläger, sei seiner gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung für 2005 jedenfalls bis zum 26. Januar 2006 in vollem Umfang nachgekommen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.205,13 Euro brutto abzüglich 1.781,75 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Dezember 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Vergleich sehe ausschließlich eine Verpflichtung zur Abrechnung vor. Die Abrechnung ergebe mangels Annahmeverzugs nichts zu Gunsten des Klägers. Der Kläger hätte im Rettungsdienst überhaupt nicht eingesetzt werden dürfen, weil er nicht alle vorgeschriebenen Fortbildungen absolviert habe. Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung stattgegeben.

I. Der Anspruch beruht auf den §§ 615 Satz 1, 611 Abs. 1 BGB iVm. §§ 293 ff. BGB und § 11 Nr. 3 KSchG.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum 31. Mai 2006. Die Beklagte kam durch den Ausspruch der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in Annahmeverzug, ohne dass der Kläger die Arbeitsleistung anbieten musste, § 296 Satz 1 BGB. Die Höhe der geschuldeten Arbeitsvergütung und der anzurechnenden Leistungen steht außer Streit.

2. Eine den Annahmeverzug ausschließende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung lag nicht vor.

a) Nach § 297 BGB kommt der Arbeitgeber nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Ein Arbeitnehmer ist leistungsunfähig iSv. § 297 BGB, wenn er aus Gründen in seiner Person die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten ausnahmslos nicht mehr verrichten kann. Ob es sich um gesundheitliche, rechtliche oder andere Gründe handelt, ist nicht maßgebend. Das Unvermögen kann etwa auf einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot oder auf dem Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis beruhen (vgl. schon BAG 24. Juni 1960 – 1 AZR 96/58BAGE 9, 300, 301; 6. März 1974 – 5 AZR 313/73 – zu I 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 29; 18. Dezember 1986 – 2 AZR 34/86 – zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 297 Nr. 2 = EzA BGB § 615 Nr. 53; 15. Juni 2004 – 9 AZR 483/03 – zu I 2, 3 der Gründe, AP BGB § 611 Bergbau Nr. 25; 3. November 2004 – 5 AZR 592/03BAGE 112, 299, 301; 8. November 2006 – 5 AZR 51/06 – zu I 2 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 17) .

b) Die Beklagte beruft sich auf § 5 Abs. 5 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (RettG NRW) vom 24. November 1992. Nach dieser Bestimmung hat das in der Notfallrettung und im Krankentransport eingesetzte nichtärztliche Personal jährlich an einer mindestens 30-stündigen aufgabenbezogenen Fortbildung teilzunehmen und dies nachzuweisen. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, handelt es sich freilich nicht um einen Fall des fehlenden Leistungsvermögens.

aa) Soll eine Rechtsnorm das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit begründen, muss sie diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Die Voraussetzung für die Berufsausübung muss aus rechtsstaatlichen Gründen eindeutig geregelt sein. Unabhängig davon, ob ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl oder der Berufsausübung vorliegt, bedarf es einer vorhersehbaren und berechenbaren Grundlage hinsichtlich Voraussetzungen und Folgen. Nach dem Gebot der Rechtssicherheit ist im Zweifel kein die Berufstätigkeit als solche untersagendes Beschäftigungsverbot anzunehmen. Vielmehr muss der Betroffene eine derart einschneidend wirkende Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach einrichten können (vgl. schon BVerfG 18. Dezember 1953 – 1 BvL 106/53BVerfGE 3, 225, 237; 30. Mai 1956 – 1 BvF 3/53BVerfGE 5, 25, 31; 17. November 1992 – 1 BvL 8/87BVerfGE 87, 234, 263; 9. April 2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01BVerfGE 108, 52, 75) .

bb) § 5 Abs. 5 RettG NRW regelt weder eine für den Zugang zur Berufstätigkeit erforderliche Erlaubnis noch eine sonstige Voraussetzung, deren Fehlen zu einem Beschäftigungsverbot führt. Das ergibt schon die Auslegung nach dem Gesetzeswortlaut. Zwar handelt es sich um eine zwingende Verpflichtung, Folgen der Pflichtverletzung werden aber nicht aufgeführt. Sie sind auch keineswegs selbstverständlich. Fehlende oder unvollständige Fortbildung lässt das Personal nicht generell ungeeignet erscheinen.

Abgesehen von der für die Betroffenen nicht erkennbaren Rechtsfolge wären auch die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot inhaltlich und zeitlich nicht hinreichend bestimmt. § 5 Abs. 5 RettG NRW unterscheidet nicht zwischen der Verletzung der Teilnahmepflicht und der Verletzung der Nachweispflicht und bestimmt nicht, wie der Nachweis zu führen ist. Einerseits können hier nicht prozessrechtliche Regelungen (zB §§ 138, 286 ff. ZPO) herangezogen werden, andererseits bedarf es nicht stets einer Urkundenvorlage. Offenbar soll es auf die Kenntnis und Überzeugung des Arbeitgebers ankommen. Darüber hinaus ist der Begriff der aufgabenbezogenen Fortbildung nicht eindeutig genug. Ein bestimmter Fortbildungskanon ist nicht vorgeschrieben. Unklar bliebe auch, ob schon die unvollständig oder (teilweise) nicht ordnungsgemäß absolvierte Fortbildung das Beschäftigungsverbot auslösen würde. Schließlich fehlte es an einem deutlichen zeitlichen Bezug. Selbst wenn man die Fortbildungspflicht auf das (volle) Kalenderjahr bezieht, blieben der Zeitpunkt des Eintritts eines Beschäftigungsverbots und die Bedeutung einer Nachholung einzelner Fortbildungsstunden zweifelhaft. So streiten die Parteien auch über die Bewertung einzelner Fortbildungsmaßnahmen, nämlich darüber, ob die Fortbildungen vom 17. Februar 2005 und vom 26. Januar 2006 „gleichzeitig gelten“ können.

Das Landesarbeitsgericht weist weiter zutreffend auf die Systematik des RettG NRW hin. § 4 RettG NRW regelt die an bestimmte Prüfungen, Zeugnisse oder Nachweise geknüpften Voraussetzungen für den Personaleinsatz. § 5 regelt zwingende Pflichten im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung. Soweit eine Tätigkeit darüber hinaus verboten ist, enthält die Norm eindeutige Regelungen (Abs. 2: „darf nicht tätig werden“; Abs. 3: „darf … nicht einsetzen“) .

Sinn und Zweck der Fortbildungspflicht erfordern nicht ein – absolut wirkendes – Beschäftigungsverbot bei Defiziten der Fortbildung. Es ist nicht erkennbar, dass Eignung und Befähigung mit Ablauf des Kalenderjahres entfallen und die Tätigkeit dann „verboten“ sein soll. Vergleichbare Berufsgruppen unterliegen keinem Beschäftigungsverbot im Zusammenhang mit aufgabenbezogenen Fortbildungspflichten. Unabhängig davon, ob es aus rechtsstaatlichen Gründen (Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Eingriffs) überhaupt statuiert werden kann, bedürfte es jedenfalls einer eindeutigen Bestimmung. Hieran fehlt es.

3. § 5 Abs. 5 RettG NRW regelt danach eine Pflicht des Arbeitnehmers, ohne die Folgen der Pflichtverletzung selbst zu bestimmen. Diese ergeben sich aus den allgemeinen Grundsätzen. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, es handele sich nicht nur um eine berufsrechtliche, sondern auch um eine arbeitsvertragliche, dem Arbeitgeber geschuldete Verpflichtung. Dafür spricht dessen Verantwortung als Träger der rettungsdienstlichen Aufgaben; ein öffentlich-rechtliches Kontrollverfahren gegenüber dem Personal ist nicht vorgesehen. Der Arbeitgeber kann deshalb die Nichteinhaltung der Fortbildungspflicht dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gem. § 273 Abs. 1 BGB entgegenhalten. Das Zurückbehaltungsrecht gibt eine aufschiebende Einrede. Nur wenn der Arbeitgeber das Zurückbehaltungsrecht geltend macht, kann er die geschuldete Beschäftigung – und damit auch die Vergütungszahlung – verweigern. Daran ändert nichts der Umstand, dass er hierzu nach Verwaltungsvorschriften und vertraglich gegenüber seinem Auftraggeber verpflichtet ist. Nr. 9 des Runderlasses des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 21. Januar 1997 (MBl. NW 1997, 140) verbietet die Beschäftigung nicht aufgrund eines Gesetzes; als bloßer Verwaltungsregelung kommt der Bestimmung nicht die Bedeutung eines gesetzlichen Beschäftigungsverbots zu. Vielmehr wird der Träger rettungsdienstlicher Aufgaben angehalten, die Nachweise gem. § 5 Abs. 5 RettG NRW zu verlangen.

Die Beklagte hat ein Zurückbehaltungsrecht weder ausdrücklich noch stillschweigend geltend gemacht. Sie hat die Beschäftigung bis zum 31. Mai 2006 nicht wegen einer unvollständigen Fortbildung, sondern allein wegen der außerordentlichen Kündigung verweigert. Anderenfalls hätte der Kläger der Einrede Rechnung tragen können und die ggf. noch fehlenden Fortbildungsstunden kurzfristig nachholen können. Rückwirkend kann das Zurückbehaltungsrecht nicht mehr ausgeübt werden, da es sich um ein Druckmittel zwecks Bewirkung der gebührenden Leistung handelt. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung schon bewirkt ist und deswegen nicht mehr zurückgehalten werden kann oder ob sie aus anderen Gründen unterblieben ist; denn auch in diesem Fall kann der Arbeitgeber die an eine bestimmte Zeit gebundene Beschäftigung nicht mehr zurückhalten. Die nachträgliche Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wäre gegenstandslos, da weder die Beschäftigung noch die Fortbildung mit Wirkung für die Vergangenheit nachgeholt werden kann. Deshalb ergeben sich die Folgen der unterbliebenen Arbeitsleistung des Klägers allein aus den §§ 615, 293 ff. BGB, nicht aus § 273 BGB.

II. An dieser Rechtslage hat der Prozessvergleich vom 16. August 2006 nichts zu Gunsten der Beklagten geändert. Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich, das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung „ordnungsgemäß abzurechnen“, wird hierdurch im Zweifel nur die ohnehin bestehende Rechtslage bestätigt (Senat 19. Mai 2004 – 5 AZR 434/03 – zu I der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien den Vergütungsanspruch im Vergleich einschränken, insbesondere ein Leistungshindernis nachträglich noch berücksichtigt wissen wollten. Vielmehr spricht die Interessenlage im Ergebnis eher für die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die Parteien hätten die Frage des Unvermögens des Klägers im Abrechnungszeitraum gerade nicht offenlassen wollen und auf die bereits erkennbare Einwendung, der Kläger habe mangels Fortbildung nicht vertragsgemäß beschäftigt werden können, sei verzichtet worden. Diese Frage bedarf aber keiner abschließenden Klärung.

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Quelle: BAG