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Kein Schadensersatz für Rettungsdienst bei grob fahrlässiger „Blaulichtfahrt“

Fahrer von Rettungsdiensten haben sich bei Rettungsfahrten grundsätzlich auch an Verkehrsregeln zu halten. Verstoßen Sie dagegen, kann dies einen Schadensersatzanspruch verringern. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des LG Osnabrück.

Im vorliegenden Fall führte ein Mitarbeiter der Klägerin, die einen Rettungsdienst betreibt, mit einem Rettungsfahrzeug der Klägerin einen Einsatz durch. Der Zeuge näherte sich einem Kreuzungsbereich mit eingeschaltetem Martinshorn und Blaulicht. Die Ampelanlage zeigte für ihn rot. Zur gleichen Zeit näherte sich von links zunächst ein Postauto, das die Kreuzung überquerte. Dahinter fuhr die Beklagte. Auch sie beabsichtigte, die Kreuzung zu überqueren. Für sie zeigte die Ampelanlage grün. Im Kreuzungsbereich kam es zu einer Kollision zwischen beiden Fahrzeugen.

Vorprozessual hatte die hinter der Beklagten stehende Versicherung unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 25 % einen Betrag von 9.575,61 EUR gezahlt. Mit der Klage verlangte die Klägerin Zahlung weiterer 37.429,54 EUR. Sie vertrat die Ansicht, die Beklagte hätte den Unfall allein verursacht. Ihr Fahrer hätte bei der Anfahrt auf die Kreuzung die Geschwindigkeit verringert, habe die Kreuzung eingesehen und festgestellt, dass der Verkehr zum Stehen gekommen sei. Sodann habe er beschleunigt und die Kreuzung überqueren wollen. Die Beklagte hat behauptet, der Fahrer sei mit unverminderter Geschwindigkeit in die Kreuzung hineingefahren.

Das LG hat die Klage nach der Vernehmung des Fahrers und der Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt: Fahrer von Notarztwagen seien von der Einhaltung der Vorschriften der StVO befreit. Sie dürften folglich bei rot in Kreuzungsbereiche einfahren. Dennoch behalte in solchen Situationen der nach der allgemeinen Regelung Vorfahrtsberechtigte – hier die bei Grünlicht fahrende Beklagte – grundsätzlich sein Vorfahrtsrecht. Dieses würde nur durch das Sonderrecht des Rettungsfahrers beschränkt.

Demnach dürften Fahrer von Rettungsfahrzeuge das Vorfahrtsrecht anderer Verkehrsteilnehmer nur unter Anwendung größtmöglichster Sorgfalt missachten. Die Vorrechte dürften erst ausgeübt werden, wenn der Fahrer sich vergewissert hätte, dass die anderen Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht erkannt und sich auf die Durchfahrt des Einsatzfahrzeuges eingerichtet hätten. Ein Einsatzfahrer verhalte sich dagegen grob fahrlässig, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich hineinfahre, obwohl er wegen Sichtbehinderung nicht feststellen könne, ob die Signale des Einsatzfahrzeugs von allen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet würden.

Das Gericht sei zu der Erkenntnis gekommen, dass der Fahrer mit überhöhter Geschwindigkeit, ca. 57 km/h, in die Kreuzung eingefahren ist. Ein Abbremsen im Kreuzungsbereich sei dabei offensichtlich nicht erfolgt. Der als Zeuge vernommene Fahrer habe dies gegenüber dem Gericht zwar so angegeben, diese Aussage konnte aber durch die Auswertung der Diagrammscheibe widerlegt werden. Des Weiteren seien die Sichtverhältnisse an der Kreuzung aufgrund der Bebauung stark eingeschränkt. Die links einmündende Straße, aus der sich die Beklagte genähert habe, habe der Fahrer des Rettungsfahrzeugs erst beim Einfahren in den Kreuzungsbereich einsehen können.

Der Fahrer habe insgesamt grob fahrlässig gehandelt. Er sei mit überhöhter Geschwindigkeit in den ausgesprochen unübersichtlichen Kreuzungsbereich hineingefahren, ohne sich vorher zu vergewissern, dass Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht erkannt hatten. Hinzu käme, dass vor der Beklagten noch ein Postauto die Kreuzung überquert hatte. Schon dies hätte für den Zeugen Anlass sein müssen, darauf zu achten, ob noch weitere Verkehrsteilnehmer aus dieser Richtung kommen.

Ein schuldhafter Pflichtverstoß seitens der Beklagten konnte dagegen nicht festgestellt werden. Der Sachverständige, der die Unfallstelle in Augenschein genommen hatte, habe ausgeführt, dass ein auf der Ecke der Kreuzung stehendes Mehrfamilienhaus für die Beklagte zum einen eine Sichtbehinderung, gleichzeitig aber auch eine Schallbeeinträchtigung darstellte. Deshalb habe das Gericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen können, dass die Beklagte das Martinshorn überhaupt wahrnehmen konnte, zumal eine unbeteiligte Unfallzeugin, die zu Fuß aus der gleichen Richtung kam, wie die Beklagte, angegeben habe, sie habe auch kein Martinshorn gehört. Eine etwaige Mitverursachung an dem Unfall seitens der Beklagten sei deshalb unter Berücksichtigung der bereits vorprozessual geleisteten Zahlung ausreichend berücksichtigt.

Entscheidung des LG Osnabrück vom 10.02.2005, mehr unter: https://app.lg-os.niedersachsen.de/landgericht/Entscheidungen/FILES/5O294104.htm