Der Bundesfinanzhof hat Mitte 2011 seine Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte radikal geändert. Demnach liegt eine regelmäßige Arbeitsstätte nur noch an dem Ort vor, an dem der Arbeitnehmer den Mittelpunkt seiner dauerhaften beruflichen Tätigkeit hat. Das ist der Ort, an dem er seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen hat und den er daher fortlaufend aufsucht. Daher gilt:
- Ein Arbeitnehmer kann nur eine einzige regelmäßige Arbeitsstätte beim gleichen Arbeitgeber haben, nicht mehrere (BFH vom 9.6.2011, VI R 55/10, BFH/NV 2011 S. 1764).
- Hat keiner der Tätigkeitsstätten des Arbeitnehmers eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber anderen Tätigkeitsorten, hat der Arbeitnehmer gar keine regelmäßige Arbeitsstätte (BFH vom 9.6.2011, VI R 36/10, DStR 2011 S. 1654).
- Muss ein Arbeitnehmer täglich nur zur Kontrolle den Betriebssitz seines Arbeitgebers aufsuchen, um danach zu seinen eigentlichen Einsatzorten wie Filialen usw. zu fahren, stellt der Betriebssitz keine regelmäßige Arbeitsstätte dar (BFH vom 9.6.2011, VI R 58/09, DStR 2011 S. 1655).
Diese neue Rechtsprechung begünstigt insbesondere Außendienstmitarbeiter, Kundenberater und Bezirksleiter, die mehrere Filialen ihres Arbeitgebers betreuen, ferner EDV-Techniker, die an mehreren Standorten ihres Arbeitgebers eingesetzt werden, Busfahrer und Kraftfahrer, die ihr Fahrzeug an verschiedenen Depots bzw. Standorten übernehmen, sog. Springer, die in Zweigstellen eingesetzt werden, an denen Personal fehlt, und Rettungssanitäter, die nicht nur auf der Rettungswache, sondern auch im Krankenhaus ein Bereitschaftszimmer haben.
Fahren diese Personengruppen zu Einsatzorten, die keine regelmäßige Arbeitsstätte sind, dürfen sie ihre Fahrtkosten mit der Reisekostenpauschale (für Hin- und Rückfahrt) anstelle der Entfernungspauschale (nur für Hinfahrt) ansetzen und ferner Verpflegungsmehraufwand bei mehr als 8-stündiger Abwesenheit und ggf. Übernachtungskosten abrechnen. Werden die Fahrten mit dem Dienstwagen durchgeführt, muss – im Gegensatz zu Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte – kein geldwerter Vorteil versteuert werden.
Betroffene Steuerpflichtige, denen das Finanzamt die Reisekosten nicht anerkennt, obwohl ihr Tätigkeitsort nach neuer Rechtsprechung keine regelmäßige Arbeitsstätte ist, sollten Einspruch unter Hinweis auf die neuen Urteile einlegen. Ob die Finanzverwaltung die neue Rechtsprechung anerkennt, ist aber noch unklar.
Quelle: WISO-Steuersparbuch 2012